Ein ehemaliger Stall in Kitzbühel hat sich in einen Kunst- und Begegnungsort verwandelt, der auch als Gegenentwurf zur alles dominierenden Verwertungslogik in der Region fungiert.
Der Kitzbüheler Maurachhof liegt nur zehn Gehminuten vom Stadtzentrum entfernt am Fuß des berühmten Hahnenkamms. Man kann von hier aus erste Reihe fußfrei auf die legendäre Hausbergkante schauen und auch hinüber auf die andere Talseite, wo sich ein historisches Schlösschen zur riesigen Luxushotelanlage ausgewachsen hat und die Villen wohlhabender Wahl-Kitzbüheler*innen stehen. Man kann hier aber, und das ist das eigentlich Besondere an diesem Ort, auch völlig andere Seiten der als Tourismus- und Promi-Hochburg bekannten Stadt entdecken, die regelmäßig als eines der teuersten Pflaster Österreichs und mit millionenschweren Immobiliendeals Schlagzeilen macht.
Wir befinden uns im ehemaligen Stall des Maurachhofs, der, seit er fürs Vieh zu klein geworden ist, auch einmal als Squashhalle gedient hat. Das lässt sich noch an ein paar Wandmarkierungen erkennen, ist aber lange her. In der jüngeren Vergangenheit wurde das Gebäude immer wieder auch für kulturelle Zwecke genutzt, sagt Hausherrin Beate Obermoser, deren Mann Andreas den von zehn Hektar landwirtschaftlichem Grund umgebenen Maurachhof bewirtschaftet. Es gab Lesungen, Konzerte und Ausstellungen, 2016 hat der aus Kitzbühel stammende Maler Matthias Bernhard in einem Teil der alten Squashhalle sein Atelier eingerichtet. So kam eins zum anderen und irgendwann die Idee auf, die „viel zu kleine Kulturlandschaft in der vom Tourismus dominierten Region“ nachhaltig um einen Kunst- und Begegnungsort zu bereichern, der auch als „Austauschzentrale“ für drängende Zukunftsfragen fungieren soll.
So formulieren das die Initiator*innen des Projekts, zu denen neben Beate Obermoser und Matthias Bernhard auch dessen Bruder Maximilian Bernhard und Wolfgang Capellari gehören – beide ebenfalls Künstler, beide ebenfalls Gründungsmitglieder des Trägervereins „Kunstbühel+“. In Kitzbühel, „wo man jeden Quadratmeter finanziell auswringen muss“, wie Matthias Bernhard kritisch festhält, sei das Anliegen des Vereins anfangs durchaus skeptisch beäugt worden. Gekommen sind die Leute dann aber doch in Scharen, als im vergangenen Juli die erste große Sommerausstellung in den in Eigenregie und unzähligen Arbeitsstunden adaptierten, bis zu sechs Meter hohen Räumlichkeiten eröffnet wurde.
„Land(wirt)schaft“ lautet das titelgebende Thema, zu dem mehr als vierzig Künstlerinnen und Künstler Arbeiten beigesteuert haben. Capellari und die Bernhard-Brüder haben daraus ohne kuratorische Strenge, aber mit gutem Gespür für spannende Setzungen und Dialoge eine ebenso bunte Künstler*innen-Ausstellung gestaltet, die höchst unterschiedliche Blicke auf das Verhältnis zwischen Mensch und Natur, unberührter und „kultivierter“ Landschaft eröffnet. Werner Kaligofskys gleich eingangs auf einem Postkartenständer präsentierte Fotografien von alpinen Speicherseen mögen auf den ersten Blick pittoresk wirken, dokumentieren aber eigentlich die massiven Eingriffe in die Natur, die nötig sind, um in immer schneeärmeren Wintern die Pisten künstlich zu beschneien.
Daneben hat aber auch das naturalistisch gemalte Blumenstillleben einer Bäuerin aus der Nachbarschaft Platz, während um die Ecke Bianca Regls in Öl gemalte Fliegenminiaturen die mysteriösen Steinböcke von Astrid Rausch umschwirren und Martin Pöll invasive Arten wie das Springkraut in kantige Skulpturen übersetzt.
Ein Stockwerk höher geben sich wiederum Lothar Reischs zum „HAAAY Stool“ geadelte Siloballen als Designermöbel aus. Oder ist es umgekehrt? Heiter-Experimentelles trifft hier auf Nachdenkliches und Subversives, worauf auch schon der in schönstem Skilehrer-Englisch verfasste Untertitel „It Goes Not On A Cow-Hide“ verweist. Es soll im Maurachhof auch darüber geredet werden, was in Kitzbühel auf (k)eine Kuhhaut geht, weshalb es den Sommer über zahlreiche Begleitveranstaltungen gegeben hat, unter anderem ein Gespräch über Modelle der Kunstentwicklung im ländlichen Raum.
Davon, dass die Region weit mehr zu bieten hat als die postkartentauglichen Motive des berühmten Kitzbüheler Malers Alfons Walde, konnte man sich bereits 2021 überzeugen, als die Stadt ihr 750-Jahr-Jubiläum feierte. Damals konzipierten Capellari und Matthias Bernhard eine Ausstellung im Museum Kitzbühel und rückten das zeitgenössische Kunstschaffen in den Blick. Der Name „Arbeitstitel Kunstbühel“ ließ schon erahnen, dass da noch etwas kommen wird.
Mit „Kunstbühel+“ wurde nun der nächste Schritt gesetzt und die Vereinsgründer*innen konnten mit ihrem Konzept auch Bund und Land als Subventionsgeber gewinnen. Was es, so Obfrau Obermoser, leichter gemacht habe, auch die Stadtgemeinde davon zu überzeugen, dass es gerade dort, wo sich die Dominanz wirtschaftlicher Interessen auch auf das soziale Gefüge auswirkt, niederschwellige Räume für kulturellen Austausch und Begegnung braucht. Pläne und Ideen haben die „Kunstbüheler“ noch viele, angedacht sei etwa die Einrichtung eines Gastateliers, sagt Capellari. Man darf also gespannt sein, was sich am Fuß des Hahnenkamms in Zukunft noch so alles tut.
Performance `Horizont_bitte´ von Nicole Weniger
Musikperformance HYLUT & Raimonda Žiūkaitė
am Freitag, 27. September 18:00
im Rahmen der Ausstellung
>Land(wirt)schaft
oder: IT GOES NOT ON A COW HIDE<
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