Die gegenwärtige parteipolitische Diskussion um die sogenannte „Nachnutzung“ des Pavillons beim Landestheater in Innsbruck gibt tiefe Einblicke in Innsbrucks Parteien. Vizebürgermeister Markus Lassenberger wünscht sich, dass dem Pavillon Leben eingehaucht und das Gebäude aktiv bespielt wird. Bürgermeister Georg Willi möchte wiederum einen öffentlichen Ideenwettbewerb unter den im Stadtsenat vertretenen Parteien ausrufen. Und Vizebürgermeister Johannes Anzengruber will das Gebäude endlich beleben und nutzen. Allen geht es darum, wie der Pavillon zukünftig genutzt werden könnte? Paradox an dieser Diskussion ist, dass der Kubus schon seit zwei Jahren aktiv bespielt wird und dass der Raum schon jetzt mehr denn je belebt ist. Von parteipolitischer Seite wird das jedoch konsequent ignoriert.
Die Initiative „Reich für die Insel“ von Severin Sonnewend hat den Kubus mit zeitgenössischer Kultur und Kunst bespielt und den Raum für die lokale Bevölkerung geöffnet: Ausstellungen, Performances, Konzerte, Vorträge oder als Treffpunkt für interessierte Menschen vor Ort. Bezeichnend ist, wie konsequent desinteressiert Stadtpolitiker:innen sämtlicher Parteien an der bisherigen Nutzung sind und anscheinend keinen Blick dafür haben, was in ihrer Stadt gegenwärtig passiert, die sie politisch vertreten wollen. Offen bleibt, ob sie es nicht wissen oder bewusst ignorieren – beides ist für die lokalen Politiker:innen ein Armutszeugnis. In dieser gegenwärtigen politischen Diskussion spiegelt sich wider, dass es nicht darum geht, Raum für Innsbrucker:innen zu schaffen sondern bestimmte Interessen von Politiker:innen durchzusetzen. Immer wieder wird hervorgehoben, „dass der Pavillon rasch wieder sinnvoll genutzt werden und keines falls ein Zuschussbetrieb werden soll“. Wir stellen uns vor, jemand hätte vor ein paar Jahren öffentlich gefordert, dass die Arzler Alm endlich sinnvoll genutzt werden soll, damit diese Brache wieder für die Allgemeinheit attraktiv sei. Verärgerung und Unverständnis beim damaligen Pächter und jetzigen Vizebürgermeister Johannes Anzengruber wären wohl mehr als verständlich gewesen.
Was „sinnvoll“ in dieser Auseinandersetzung heißt, wird deutlich, wenn wir uns die Ideen anschauen, die eingebracht werden. Eine Nutzung, von der die lokale Bevölkerung etwas hätte, ist dabei nicht vorgesehen. Vorgeschlagen wird zum Beispiel ein Reisebus-Leitsystem mit Plattformen für Ein- und Ausstieg sowie Busparkplätzen. Im Kern geht es bei dieser Idee darum, Touristenströme zu regulieren, und der Pavillon soll bei diesem Konzept ein zentraler Ausgangspunkt sein. Spannend sind die Kosten für das Projekt des Reisebus-Leitsystems. Das Innsbrucker Stadtblatt berichtet dazu aus der Machbarkeitsstudie:
„Bei den Plattformen wird der erste Stellplatz mit 45.000,- Euro, jeder weiterer mit 20.000,- Euro gerechnet. Die Info- und Serviceeinrichtungen je Plattform mit 25.000,- Euro. Die Serviceeinrichtung Karl-Kapferer-Straße mit insgesamt 250.000,- Euro. Die Parkplatzflächen werden mit 200,- bis 250,- Euro pro m2 angegeben, die Serviceeinrichtungen in der Richard-Berger-Straße mit 480.000,- Euro. Die Kosten verstehen sich ohne Grund-/Mietkosten, Planungsleistungen, Projektnebenleistungen und Reserven. Die digitale Plattform kostet in der Entwicklung (auf 5 Jahre) 750.000,- Euro, die Betriebskosten dafür liegen jährlich bei 50.000,- Euro.“
Vizebürgermeister Johannes Anzengruber betont, dass er nicht will, dass hier ein „Zuschussbetrieb“ entsteht. Wer aber die Kosten für so ein aufwendiges Leitsystem tragen soll, bleibt an dieser Stelle unklar, vermutlich wird es durch Zuschüsse der öffentlichen Hand finanziert. Wie die prognostizierten Kosten für die touristische Nutzung des Pavillons mit dem Wunsch „dass hier kein Zuschussbetrieb entstehen soll“ zusammen gehen, wird nur verständlich, wenn wir verstehen, was hier eigentlich gemeint ist: Nicht gewünscht ist eine zeitgenössische kulturelle Nutzung, wie sie eben schon seit zwei Jahren im Kubus stattfindet. Für die kulturelle Bespielung des Pavillons waren aber nicht irgendwelche öffentlichen Zuschüsse verantwortlich, sondern vor allem das Engagement von Severin Sonnewend und den vielen Initiativen, die mit ihm gemeinsam den Ort bespielt haben. Dadurch wurde aus einem Leerstand ein Ort mit sozialem und kulturellem Mehrwert. Sozusagen ein „alpin-urbaner Lifestyle“ Ort, den sich so mache Innsbrucker Gemeinderät:innen ständig wünschen. Im Fall von „Reich für die Insel“ ist unter Lifestyle jedoch keine künstliche Inszenierung – von oben verordnet – zu verstehen. Es geht auch nicht um eine ökonomische Verwertung, sondern um das Schaffen eines Ortes, an dem sowohl die Innsbrucker Bevölkerung als auch Gäste an zeitgenössischer Kultur und Kunst teilhaben können. Andere Städte wünschen sich solche Nutzungen von Leerständen, in Innsbruck wird sie politisch konsequent ignoriert. Besonders bemerkenswert erscheint mir an dieser Stelle ein Kommentar der Innsbrucker Gemeinderätin und Obfrau des Kulturausschusses Irene Heisz. Ohne die aktuelle kulturelle Nutzung zu erwähnen, meint sie, sie sehe aufgrund der Lage des Kubus mitten im Kulturquartier diesen „absolut prädestiniert für eine kulturelle Nutzung von Ausstellungen, kleinen Konzerten und Literaturveranstaltungen über Performances und multimediale Installationen bis hin zu Workshops und Podiumsdiskussionen.“ Genau das ist dort schon aber seit zwei Jahren Realität.
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