Innsbruck, am 7.3.2024
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Dr. Christian Margreiter,
sehr geehrte Mitglieder der Haller Stadtregierung,
der Artikel „Kultur in Hall muss kürzertreten“ in der heutigen Ausgabe der Tiroler Tageszeitung veranlasst uns als Interessenvertretung der freien Kulturinitiativen in Tirol und einiger betroffener Kulturvereine in Hall zu folgernder Stellungnahme.
Wir bedauern zutiefst, dass der Haller Stadtrat trotz zahlreicher Gespräche, Bemühungen und 7.000 Unterstützungserklärungen bei seiner Entscheidung, die Kulturvereine um 50 % zu kürzen, geblieben ist. Ein derart drastischer Einschnitt in eine über die Stadtgrenzen hinaus geschätzte Kulturszene ist beispiellos - nicht nur in Bezug auf das Ausmaß der Kürzung, sondern auch auf die Vorgangsweise!
Was Sie gerne „private Vereine“ nennen, sind gemeinnützige Organisationen, juristische Personen mit einer klaren Satzung, die sie dazu verpflichtet, dem Vereinszweck entsprechend Aufgaben zu erfüllen, die dem Gemeinwohl dienen. Sie arbeiten nicht zum Selbstzweck oder für eine kleine Interessensgruppe, sondern sie arbeiten im öffentlichen Interesse und sind Teil einer kulturellen Infrastruktur, die eine lebendige, kreative und entwicklungsfähige lokale Gesellschaft ausmacht. Die Rechtsform des gemeinnützigen Vereins gewährleistet ein Agieren im Interesse der Allgemeinheit und ist daher im Kulturbereich besonders häufig anzutreffen. Gemeinnützige Kulturbetriebe sind zwar nicht auf Gewinn ausgerichtet, aber sie müssen wirtschaftlich handeln. Ein Kulturbetrieb mit eigener Infrastruktur und Fixkosten oder jahresdurchgängigem Programm auf Basis von langfristigen Verträgen muss vorausschauend planen und agieren. Dafür braucht er Planungssicherheit und verlässliche Partner. Eine Halbierung der Kulturförderung am Ende des Jahres für das folgende Jahr ohne vorausgehende Gespräche ist ein Affront und stellt einen Kulturbetrieb vor existenzielle Probleme.
Wie andere Bereiche des öffentlichen Lebens auch, ist der Kunst- und Kultursektor selbstverständlich auf ein transparentes und verlässliches Fördersystem angewiesen. Es handelt sich dabei nicht um eine „Abhängigkeit von der Politik“ – die im Übrigen nicht dadurch aufzulösen wäre, dass die Politik selbst zum Kulturveranstalter wird – sondern es geht auch in der Kulturpolitik darum, auf Basis von nachvollziehbaren Kriterien und Richtlinien fachlich begründete Entscheidungen zu treffen. Fehlen diese sachlich begründbaren Entscheidungsgrundlagen, sind Förderentscheidungen gleichheitswidrig. „Städtische Kulturarbeit ist mehr als nur die Förderung privater Vereine“ sagen Sie und das stimmt, denn die Aufgabe der Kulturpolitik ist es, transparente Entscheidungsgrundlagen für die Verwendung öffentlicher Mittel zu schaffen und zwischen den unterschiedlichen Playern im kulturellen Feld im Sinne einer qualitätvollen kulturellen Vielfalt moderierend und gestaltend tätig zu sein. Das kulturelle Engagement von Kulturvereinen und Gruppen ist dabei Ausdruck von Gestaltungs- und Mitentscheidungsansprüchen der Zivilgesellschaft einer modernen Demokratie und verdient entsprechende Wertschätzung.
Eine sachliche Begründung für die drastische lineare Kürzung über alle Vereine hinweg wurde von der Haller Stadtregierung bisher nicht kommuniziert. Die Entscheidung wurde ausschließlich mit der „finanziell äußerst schwierigen Zeit“ begründet, die Einschnitte bei den Subventionen erfordern würde. Wenn die finanzielle Situation der Stadt Hall derart prekär ist, stellt sich die Frage, wie die geplanten künftigen Eigeninitiativen der Stadt – wie z. B. das „neue Projekt im Bereich Literatur“ – finanziert werden sollen. Es stellt sich auch die Frage, auf Basis welcher fachlichen Expertise in der Stadtregierung diese neuen Projekte stattfinden sollen. Wer verfügt über die notwendige fachliche Qualifikation, um Kunst- oder Kulturprojekte zu konzipieren und umzusetzen? Finden Sie es legitim, wenn Politiker*innen zu Kulturveranstalter*innen werden? Können Sie sich eine ähnliche Vorgangsweise in anderen Bereichen vorstellen – im Gesundheitsbereich, in der Bildung…?
Die Verantwortlichen in den von der Kürzung betroffenen Kultureinrichtungen verfügen über einschlägige Fachausbildungen und über zum Teil jahrzehntelange Erfahrung im Kunst- und Kulturbereich. Die Führung eines Kulturbetriebs setzt entsprechende Kenntnisse, Erfahrung, Kontakte und Netzwerke voraus.
Sie erweisen der Stadt Hall einen Bärendienst, indem Sie auf die geballte Kompetenz der ansässigen Kulturvereine verzichten oder sie in ihrer Arbeit einschränken. Die Abwanderung von Kulturangeboten wird die Frequenz in der Stadt weiter verringern, damit auch die lokale Wirtschaft treffen und außerdem zu einem Imageverlust für die Stadt Hall führen. Immerhin 7.000 Menschen haben bisher ihr Bedauern über Ihre Entscheidung öffentlich kundgetan, mit Sicherheit sind es sehr viele mehr!
Wir ersuchen Sie dringend, Ihre Entscheidung zu überdenken und zumindest für 2025 gemeinsam mit allen Stakeholdern an einer konstruktiven und tragfähigen Lösung zu arbeiten. Wir stehen für Gespräche gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Vorstand und Geschäftsführung
der TKI – Tiroler Kulturinitiativen
Für den Erhalt der Haller Kulturszene: nein zu #HALLbiert
https://www.change.org/p/f%C3%BCr-den-erhalt-der-haller-kulturszene-nein-zu-hallbiert
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