Europaweit erleben wir ein Aufstreben des Rechtspopulismus und auch in Österreich ist die FPÖ derzeit in vier Landesregierungen vertreten. Was würde eine neuerliche schwarz-blaue Koalition auf Bundesebene für den Kunst- und Kultursektor bedeuten? Die IG KiKK hat reflektiert, was die Erfahrungen aus Kärnten/Koroška lehren.
Zur Auffrischung: Jörg Haider brachte den Rechtspopulismus nach Österreich und verhalf der FPÖ zu enormer Popularität. Bei den Landtagswahlen 1989 in Kärnten/Koroška erreichte die FPÖ den zweiten Platz hinter der SPÖ. Mithilfe der ÖVP wurde Haider zum Landeshauptmann gewählt, wodurch erstmals die FPÖ einen Landeshauptmann stellte. Diese Amtszeit dauerte nur bis 1991, da er aufgrund einer lobenden Aussage über die "ordentliche Beschäftigungspolitik“ im Dritten Reich abgewählt wurde.
Bei den Landtagswahlen 1999 wurde die FPÖ zur stimmenstärksten Partei, wodurch Haider zum zweiten Mal das Amt des Landeshauptmannes einnahm und durch Wiederwahl bis 2008 blieb. In diese Zeit fiel auch die Abspaltung der Kärntner Freiheitlichen von der FPÖ und die Gründung des BZÖ, das bis 2013 im Kärntner Landtag vertreten war. Gerhard Dörfler übernahm nach dem Unfalltod Haiders und war bis 2013 Landeshauptmann. Somit wurde Kärnten/Koroška von 1999 bis 2013 durchgehend von der FPÖ bzw. dem BZÖ hauptverantwortlich regiert.
Das kulturelle Anliegen der FPÖ/BZÖ war (und ist nach wie vor) die Stärkung und Absicherung der Heimat- und Traditionspflege. Die öffentliche Kulturförderung stellte Einrichtungen und Veranstaltungen des Brauchtums bzw. der Volkskultur ins Zentrum, Gelder wurden entsprechend verschoben und die Ausgaben vervierzehnfacht: Von 1999 bis 2005 verzeichnete der Bereich “Brauchtum und Heimatpflege” eine überdurchschnittliche Steigerung von + 1.300 %. Prozentual war damit die Brauchtumsförderung doppelt so hoch wie in anderen Bundesländern. „Heimattreuen“ Verbänden wurden mehrjährige Förderverträge zugesichert, was anderen Spielstätten indes mit Verweis auf die "angespannte Finanzlage des Landes Kärnten" abgelehnt wurde.
Finanziell bedacht wurde vor allem auch die publicityträchtige „Eventkultur”, die sich von Politiker*innen leicht als eigene Bühne instrumentalisieren lässt. So wurden Prestigeprojekte wie etwa die “Carinthische Musikakademie” üppig ausgestattet, Massenevents wie Iron Man oder Beachvolleyball zum Teil aus dem Kulturbudget bezahlt und die Abteilung Eventkoordination ausgebaut.
Die freie Kulturszene wurde hingegen stark marginalisiert und durch das Ausbleiben von Förderungen ausgehungert. Eine Analyse der Kulturberichte von 1999 bis 2005 der IG KiKK zeigte eine dramatische Kürzung der Kategorie "Kulturinitiativen". 2005 flossen nur noch 0,64 % des Kulturbudgets an Kulturinitiativen, im Vergleich zu 7 % für die Volkskultur.
Durch die massiven Kürzungen und Streichungen der Förderungen wurde zeitgenössische Kulturarbeit in unbezahlte Arbeit gedrängt, Programme eingestellt, Personal gekündigt und so brachen ganze Strukturen zusammen. Von den 1999 noch vier Off-Bühnen konnte nur eine bis 2011 überleben. Es war ein Kahlschlag, mit dem Ziel die “unliebsame” Kulturszene auszulöschen, beschrieb die damalige Obfrau der IG KiKK Angelika Hödl die Situation. Damit konnten die Szene und die Kritik kleingehalten werden, jegliche Stabilisierung oder gar Wachstum waren unmöglich.
Die Umschichtung im Kulturbudget, exorbitant finanzierte Leuchtturmprojekte und Förderung von Gleichgesinnten erweckten den Eindruck der Willkür bei der Fördervergabe. Hinzu kam ein üppiges Maß an Intransparenz: Während Kleinstbeträge von Fördernehmer*innen penibel im Kulturbericht aufgelistet wurden, versteckte die Kulturabteilung große Summen hinter Platzhalter: So wurden u. a. 328.424,65 Euro "diverse Zahlungen" oder 640.000 Euro "Organisationsaufwand der Kulturabteilung etc" im Kulturbericht 2009 nicht weiter aufgeschlüsselt.
Die Auswirkungen der rechten Politik sind noch unter den nachfolgenden Regierungen spürbar. Die freie Kulturszene konnte erst 2013 nach der Abwahl von FPÖ/BZÖ wieder vorsichtig aufatmen. Jedoch wurde infolge der Notverstaatlichung der Hypo-Alpe-Adria Bank und des drohenden Bankrotts des Bundeslandes 2015 ein Zahlungsstopp für Ermessensausgaben verhängt und dadurch Kulturförderungen verspätet oder gar nicht ausgezahlt. Damit war jeglicher Aufschwung wieder im Keim erstickt. Kulturprogramme wurden abermals gestrichen.
Die benachteiligende Fördervergabe verschärfte die in der freien Szene ohnehin prekären Arbeitsbedingungen. Viele Kulturtätige wanderten ab, was das Sterben von Kultureinrichtungen bzw. -angeboten weiter befeuerte. Kunst- und Kulturakteur*innen flüchteten vor den politischen Zuständen und haben doch auch außerhalb die Ressentiments gegen diese Politik zu spüren bekommen.
Zurück blieb kulturelles Brachland. Mangelnde Anerkennung und (Gegen-)Stimmung im Land haben die Strukturen der freien Szene grundlegend zerstört. Fehlende kulturelle Vielfalt und Betätigungsfelder verstärkten wiederum die Abwanderung der Jugend. Der Wiederaufbau läuft schleppend, die Nachwirkungen der FPÖ/BZÖ-Regierung sind nach wie vor zu spüren: Das Kulturbudget stagniert als eines der geringsten Budgets im Bundesländervergleich. Kärnten/Koroška hat als Land eine der höchsten Pro-Kopf-Verschuldungen und kämpft weiterhin mit der Abwanderung von Fachkräften und jungen Menschen. Die Wiederherstellung der Rahmenbedingungen für Kulturarbeit benötigt ungleich mehr Ressourcen als die verhältnismäßig wenigen Mittel, die zur Aufrechterhaltung nötig gewesen wären.
Am Beispiel Kärnten/Koroška sehen wir, dass die von Rechtspopulismus und Demagogie geleitete Politik Maßnahmen schnell und rücksichtslos umsetzt. Die Erholung davon ist langwierig und mühsam. Der Imageschaden des rückwärtsgewandten Bundeslandes hängt bis heute an Kärnten/Koroška. Zurück bleibt die Herausforderung, die demokratischen Kräfte stetig anzutreiben und an die Erfahrungen zu erinnern, damit sich die Geschichte nicht wiederholt.
Ein Blick in die Gegenwart zeigt, dass das Vorgehen in Kärnten/Koroška kein Sonderfall, sondern systematisch für rechte Kulturpolitik ist. In Oberösterreich, wo die FPÖ seit 2017 an der Landesregierung beteiligt ist, wurden im Kulturbudget 2018 die Mittel für Kulturförderung um 30 % gekürzt.
In Salzburg wurde nach der schwarz-blauen Regierungsbildung seitens der FPÖ heuer angekündigt, man werde die Kulturförderung von Vereinen "auf Herz und Nieren prüfen, ob die überhaupt förderungswürdig sind und werden nicht zögern, Kürzungen oder komplette Streichungen vorzunehmen”.
Die FPÖ Steiermark tritt gegen Fair Pay auf, positioniert sich gegen die jüngst entwickelte Kulturstrategie und fordert mehr Mittel für Volkskultur, welche gegenüber der freien Szene benachteiligt sei.
Die kommenden Nationalratswahlen könnten zu einer in der Geschichte der Republik Österreich einzigartigen Machtverschiebung zugunsten rechtsextremer und rechtspopulistischer Kräfte führen. Derzeit entstehen zahlreiche Kampagnen, um die demokratische Mehrheit im Land zu mobilisieren.
Kürzlich hat sich mit der "Aktion Demokratie Kärnten Koroška" eine Plattform gegen den Rechtsextremismus gebildet. Die IG KiKK ist Teil der Initiative.
Das Bündnis Demokratie & Respekt zur Verteidigung der liberalen und sozialen Demokratie stellt Informationen und stammtischtaugliche Argumente gegen rechtspopulistische Parteien zur Verfügung. Ihr könnt selbst die Datenbank mit euren Kenntnissen befüttern.
Die Erinnerungskampagne Achtung Schwarz-Blau. Gscheit wählen! stellt besondere "Erfolge" bisheriger Schwarz-Blauer Bundesregierungen in Form von Zeitungsartikeln zusammen: von Hypo-Alpe-Adria, über Ibiza, Hure der Reichen, bis zur Sozialversicherung in Unternehmerhand. Diese Themen können auch in Form von Plakaten und Postkarten österreichweit gratis bezogen werden – oder im IG KiKK-Büro (und im TKI-Büro, Anm.) abgeholt werden.
Wir gegen rechts mobilisiert u. a. mit einer Plakatkampagne: Die Plakate könnt ihr im IG KiKK-Büro kostenfrei abholen! Außerdem bietet die Kampagne auch ein Argumentationstraining gegen rechte Parolen und ein individuelles Training für Haustürgespräche an. Oder ihr kommt mit den 50 Aktionsideen sofort ins Tun.
TKI - Tiroler Kulturinitiativen
Dreiheiligenstraße 21 a
c/o Die Bäckerei
6020 Innsbruck
Öffnungszeiten:
MO-DO: 9 - 12 Uhr, DI: 14 - 16 Uhr
und nach Vereinbarung
Der TKI-Newsletter informiert einmal monatlich über Veranstaltungen, Aktivitäten und neue Mitglieder der TKI, über kulturpolitische Themen sowie über Ausschreibung und ausgewählte Projekte der Förderschiene TKI open. Er enthält außerdem Ausschreibungen und Jobs im Kulturbereich und Literaturtipps aus der TKI-Bibliothek.
Mit Ihrer Anmeldung erlauben Sie uns, Ihnen regelmäßig unseren Newsletter an die genannte E-Mail-Adresse zu senden. Sobald Sie sich für den Newsletter angemeldet haben, senden wir Ihnen ein E-Mail, in dem Sie um die Bestätigung Ihrer Anmeldung gebeten werden. Die von Ihnen angegebenen Daten werden ausschließlich für diesen Zweck verwendet. Die Einwilligung zur Speicherung Ihrer persönlichen Daten und ihrer Nutzung für den Newsletterversand können Sie jederzeit widerrufen. In jedem Newsletter findet sich dazu ein entsprechender Link. Hier können Sie unsere Datenschutzerklärung nachlesen.