Endlich wieder Disco, Diskurs und Drama! Endlich wieder Kunstflanieren! Endlich wieder in der Menge baden! Vieles, was Kunst und Kultur ausmacht, war und ist uns zurzeit verwehrt und das erzeugt nicht nur persönliche Sehnsüchte, sondern auch strukturelle und gesellschaftliche Leerstellen, die sich nicht mehr wegleugnen lassen. Die battlegroup for art wünscht sich und ihrem Publikum mit diesem Plakat in allen Facetten und Dimensionen: Endlich wieder Kultur!
battlegroup for art: Ihr habt euch nach einem Jahr Corona zu dieser Plakataktion entschieden. Welche Absicht steckt dahinter?
Petra Poelzl: Die battlegroup hatte ja schon mal vor vielen Jahren eine Plakataktion mit dem Titel „Kultur ist Arbeit“ gemacht. Das war eigentlich unser Startpunkt im Denken. In der gesellschaftlichen und politischen Gewichtung macht es oftmals den Anschein, dass Kunst und Kultur nicht als Arbeit wahrgenommen werden. Im Zuge der Krise wurde dies nur deutlicher, aber anstatt zu jammern oder anzuprangern, entschieden wir uns dafür mit dem Künstler Patrick Bonato zu arbeiten und die entstandene Leerstelle auf lustvolle, spielerische Art aufzuzeigen.
Marco Trenkwalder: Mit diesem Plakat wollen wir den öffentlichen und digitalen Raum mit positiven, witzigen, hoffnungsfrohen und lusterzeugenden Bildern tapezieren. Die zahlreichen Facetten des Wimmelbilds spiegeln die aktuellen Begebenheiten, die Frustration, die Vorfreude, also ganz unterschiedliche Emotionen der Menschen wider. Sich darin wiederzufinden, hat eine beruhigende Wirkung, weil man sich in den auf soziale Isolation abzielenden Maßnahmen plötzlich verbunden fühlt mit all den Menschen da draußen, die lange Zeit schon das Gleiche denken und wollen.
Arno Ritter: Wir wollten in Zeiten wie diesen sowohl für uns wie für unser Publikum wieder Hoffnung erzeugen und Sehnsüchte vermitteln.
Helene Schnitzer: Ja, genau - mit der Plakataktion im öffentlichen Raum wollen wir uns mit dem Kulturpublikum verbinden und sagen: Wir sind noch da und wir vermissen euch!
Daniela Oberrauch: Wir möchten den Menschen ein Lächeln auf die Lippen zaubern. Eine Vorfreude wecken auf alles, was wieder möglich sein wird!
Kristin Jenny: Da die Kultur in all den Diskussionen um Öffnungsschritte und Rückgewinnung der Normalität sträflich vernachlässigt wurde und wird, wollen wir aufzeigen, was uns alles abgeht und auf was wir uns wieder freuen – und somit die Kultur in den öffentlichen Raum kleben und Vorfreude signalisieren.
Nicola Weber: Die vielfältigen Facetten zeigen, was wir ohne Kultur vermissen und die einerseits persönliche Sehnsüchte vermitteln, aber auch gesellschaftliche und strukturelle Problemstellen offenlegen.
Marco Trenkwalder: Das Wimmelbild ist auch als Erinnerung gedacht an eine Zeit, an die man sich eigentlich nur ungern zurückerinnern möchte (lacht). Bei all den derzeitigen Widrigkeiten wird das Plakat aber trotzdem auch noch in fünf, zehn, zwanzig Jahren Schmunzelmomente und große Verwunderung hervorrufen.
battlegroup: Welches ist dein Lieblingsdetail am Plakat und warum?
AR: Eigentlich alle positiven Wimmel-Einzelbilder mit den Slogans: endlich wieder…!
NW: Die DJ rechts oben, die uns Discokugeln runter auf die Erde schickt, die mag ich sehr.
KJ: Endlich wieder... Disko, Diskurs und Drama find ich super, und die aufgebrezelten Damen haben auch was!
MT: Die glitzernden Discokugeln, die auf uns herabprasseln, und der verwahrloste Geist, dem ein bisschen Discolicht, Diskurs und Drama ganz guttäte.
HS: Die DJ über dem Regenbogen, die Discokugeln streut. Und mir gefällt, dass Kunst das Licht am Ende des Tunnels ist.
PP: Da kann ich mich nicht entscheiden. Das Bild mit all seinen Details lädt so schön zum ein- und durchtauchen ein. Bin mir sicher jede:r Betrachter:in taucht da mit ihren/seinen eigenen Assoziationsketten ein und inspiriert wieder auf. Eigentlich kann man sich an dem Bild gar nicht satt sehen.
battlegroup: Worauf freust du dich persönlich am meisten, wenn wir die Pandemie überwunden haben?
DO: Entspannt Kultur genießen, Menschen begegnen, sich am gemeinsam Erlebten erfreuen. Leichtigkeit spüren!
HS: Da schließe ich mich an: auf mehr Leichtigkeit und Bewegungsfreiheit. Und ich hoffe, dass das irgendwann wieder Realität wird: ein Konzert mit richtig vielen Menschen!
AR: Endlich wieder sein zu dürfen, in einem Raum, mit vielen Menschen und ohne Maske!
KJ: Auf unbekümmertes Zusammentreffen in allen Veranstaltungsräumen und Lokalen und mich somit wieder faszinieren lassen.
NW: Auf das Hintergrundrauschen des öffentlichen Lebens. Also z.B. im Cafe Central allein einen Cafe zu trinken und trotzdem intensiv unter Menschen zu sein.
MT: Filmgespräche in einer Bar nach einem Kinobesuch; Live-Musik, die den ganzen Körper elektrisieren lässt; den Geruch von Nebelmaschinen; die Magie des Nachtlebens... generell Abwechslung und die Entfesselung vom Alltag, welcher momentan neben Arbeit, Nahrungszufuhr, Online-Streams, Schlaf und die immergleichen Spaziergänge nicht viel zu bieten hat.
PP: Ich bin quasi mit der Pandemie nach Innsbruck gekommen. Für mich fühlt es sich seit einem Jahr so an, als würde ich wie der Luftballon auf dem Poster über Innsbruck schweben und hier nicht ankommen können. Ich freue mich aufs Ankommen hier und auch darauf, ohne Quarantäne wieder nach Berlin fahren zu können.
battlegroup: Worauf freust du dich für deine Kultureinrichtung am meisten?
DO: Dass wir unsere bereits geprobten Stücke zeigen können und Menschen Glücksmomente bescheren. Und dass Kinder und Jugendliche sorgenfrei in einem Raum Spaß haben können, ein Gemeinschaftsgefühl entsteht und mit Leichtigkeit an einem gemeinsamen Projekt gearbeitet werden kann!
KJ: Lesestimmen im Raum hören und sich danach bei einem Glas Wein oder Bier mit Autorinnen und Autoren UND dem Publikum austauschen.
NW: Auf die Gespräche und Bekanntschaften vor und nach den eigentlichen Veranstaltungen. Und auf einen gesteckt vollen Veranstaltungsraum, wo man keinen Sitzplatz mehr bekommt.
HS: Darauf, dass das alles beherrschende Thema Corona in den Hintergrund tritt und wir keine Novellen von Notfall- und Schutzmaßnahmenverordnungen mehr enträtseln müssen. Für unsere Mitgliedsinitiativen, dass sie endlich wieder planen, produzieren, aufführen und veranstalten dürfen.
PP: Openings, Performances, Lectures, Kunstvermittlung und allem was dazugehört.
AR: Wieder in die alte Normalität verfallen zu dürfen und die Le(h)ere des vergangenen Jahres füllen und ziehen zu können.
MT: Über sichere Planbarkeit und über motivierte Kulturvereine, die im BRUX / Freies Theater Innsbruck wieder magische Welten entstehen lassen werden.
battlegroup: Was glaubst du, wird sich für deinen Kulturbetrieb verändert haben nach Corona? Und was für den Bereich, in dem du arbeitest? Ist das gut, schlecht oder beides?
KJ: Die Formate haben sich geändert, davon wird was bleiben: So kann man auch Autorinnen und Autoren oftmals leichter zu Lesungen einladen. Aber ich hoffe, dass nicht alle zu bequem werden - es geht nichts über die Livesituation!
DO: Es haben sich auch neue Formate entwickelt, die auch ihr Gutes haben. Diese werden zum Teil sicher bleiben, was auch Vorteile hat.
HS: Ich glaube auch, dass sich einiges weiterhin im digitalen Raum abspielen wird – das ist nach diesem Jahr zur Normalität geworden. Das hat den Vorteil, dass Menschen auch dezentral und international leichter zusammenkommen können. Ich bin gespannt, ob die Coronakrise auch die Inhalte und Methoden in der Kunst und Kulturarbeit nachhaltig verändern wird.
AR: Die einjährige Erfahrung hat Themen sichtbar gemacht, die auch in Zukunft behandelt werden sollten, vom Lebens- und Wohnraum, über den öffentlichen Raum bis zu den spürbaren sozialen Verwerfungen.
PP: Nothing to add.
battlegroup: Was wünschst du dir für den Kulturbereich nach Corona? Und was für die Gesellschaft als Ganzes und unser künftiges Zusammenleben?
KJ: Für den Kulturbereich wünsche ich mir ernsthaften Einsatz für die "Kulturnation". Für die Gesellschaft? Empathie und Austausch!
DO: Dass Entscheidungsträger:innen ein Bewusstsein dafür entwickelt haben, wie wichtig Kunst und Kultur für unsere Gesellschaft sind und sich das auch in der finanziellen Anerkennung und der sozialen Absicherung widerspiegelt. Für die Gesellschaft als Ganzes wünsche ich mir mehr Verständnis für die Sorgen und Ängste des Gegenübers. Aber auch den Mut, Dinge zu benennen die falsch sind, ohne damit die Grenzen anderer zu verletzen!
HS: Für die Kunst- und Kulturszene hoffe ich sehr, dass nach den hohen, coronabedingten Staatsausgaben nicht zuallererst die Kulturbudgets gekürzt werden, sondern im Gegenteil Fair Pay und soziale Absicherung Realität werden. Gesellschaftlich und politisch wünsche ich mir eine andere, konstruktive Konfliktkultur, mehr Solidarität und Gerechtigkeit, politische Teilhabe und Mut zur Veränderung.
AR: Ich hoffe, dass die Erfahrung des letzten Jahres zu einer systemischen wie politischen Kurskorrektur führt und sich das Individualverhalten vermehrt am Gemeinwohl orientiert.
MT: Für die Kultur wäre eine starke, selbstbewusst auftretende Lobby wünschenswert. Außerdem: Wertschätzung, faire Bezahlung und finanzielle Absicherung. Gesellschaftlich wünsche ich mir, dass die Menschheit gestärkt aus dieser Krise hervorgeht mit frischen Ideen hinsichtlich einer auf sozialer Gleichheit beruhenden, klimafreundlichen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung, die zugleich allen Unmenschlichkeiten dieser Welt den Kampf ansagen.
PP: Auch hier kann ich den Kolleg:innen nur zustimmen. Diese Pandemie hat sichtbar gemacht, auf welch wackeligen Beinen Kunst und Kultur eigentlich stehen. Und auch ich wünsche mir, dass der Mensch aus dieser Krise mit mehr Empathie und Sinn fürs Gemeinwohl hervorgeht. Aber ich befürchte, dass wir die Spitze des Eisbergs leider noch nicht erreicht haben.
NW: Mehr Sichtbarkeit und Wertschätzung im "Tourismusland" Tirol. Dass die Schere, die in so vielen Bereichen während der Coronazeit (wieder) aufgegangen ist, sich schließt und dass die Polarisierung nicht noch mehr um sich greift.
Die Interviewpartner*innen der battlegroup for art
Weitere Mitglieder der battlegroup for art
Plakat: © Patrick Bonato, 2021
Das Plakat zum Download: www.battlegroup.at
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