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Zur Entwicklung freier Kulturinitiativen

Zur Entwicklung freier Kulturinitiativen

Beitrag vom 18.12.2021
© Stephan Seeber, unsplash

Demokratisierung, Dezentralisierung, Autonomie und Emanzipation

1970/80er Jahre

Die Entstehung der sogenannten freien Kulturinitiativen hat ihre Wurzeln in den Umwälzungen und dem gesellschaftlichen Wertewandel der späten 1960er Jahre. Die damals entwickelten Demokratisierungs- und Dezentralisierungskonzepte beförderten Mitte der 1970er Jahre die Entstehung von Kulturinitiativen und soziokulturellen Zentren in Österreich – und diese Entwicklung hält bis in die späten 1980er Jahre an.

Als Gegenkonzept zur vorherrschenden Hoch- und Repräsentationskultur wurde die Forderung erhoben, Kunst und Kultur niederschwellig für alle zugänglich zu machen und die Ausgaben zugunsten von Basis- und Alternativkultur umzuverteilen. Kulturelle Bereiche, die in der Hochkultur nicht vorkamen, bildeten die Schwerpunkte im Programm der „klassischen“ Kulturinitiativen der ersten Stunde – das waren z. B. Jazz oder Kleinkunst und Kabarett und zeitgenössischen Kunstproduktion aller Sparten. Schon damals leisteten Kulturinitiativen auch einen unschätzbaren Beitrag zur Nachwuchsförderung.

Im Sinne einer Dezentralisierung sollte die Herausbildung von Kulturinitiativen in ländlichen Regionen die kulturelle „Nahversorgung“ gewährleisten, gerade auch in Tirol, wo das kulturelle Geschehen am Land vielfach von Tradition, Brauchtum und Volkskultur geprägt ist. Daneben war die Autonomie – Unabhängigkeit und Selbstbestimmung abseits von Marktlogiken – eine zentrale Forderung der sogenannten „freien“ Kulturinitiativen. Ihre Gründung ist auch Ausdruck von Emanzipation gegenüber starren politischen Strukturen und Auftreten gegen allgemeine Kulturfeindlichkeit (die z. B. in Tirol im Brandanschlag gegen die Villgrater Kulturwiese im Jahr 1996 gipfelte).

Vernetzung

1980/90er Jahre

Die Situation der Kulturinitiativen war in den Gründungsjahren geprägt von schwierigen Arbeitsbedingungen, wenig Akzeptanz seitens der Kulturpolitik, mangelnder finanzieller Berücksichtigung, Vereinzelung und fehlender Kommunikation unter den Kulturinitiativen. Dieser Umstand hat in den späten 1980er und beginnenden 1990er Jahren zur „Erfolgsstory“ der kulturellen Netzwerke geführt.

1986 kam es z. B. zur Gründung der KUPF (Kulturplattform Oberösterreich), 1989 wurde die TKI als Dachverband der Tiroler Kulturinitiativen gegründet und 1990 kam es zur Gründung der bundesweiten Vernetzung von Kulturinitiativen der IG Kultur Österreich. Die Aufgaben dieser Netzwerke und Interessenvertretungen waren seit jeher zwischen Service, gewerkschaftlicher Vertretung und Kulturpolitik angesiedelt.

Die Bündelung und Vertretung gemeinsamer Interessen hatte bereits in den Gründungsjahren der IG’s wesentliche Fortschritte für die Zeitkultur zur Folge, wie etwa 1990 die Schaffung einer Förderstelle für Kulturentwicklung und Kulturinitiativen auf Bundesebene oder die Einrichtung eines eigenen Förderansatzes für Zeitkultur in Oberösterreich auf Anregung der KUPF bereits in den 1980er Jahren.

Kultur wird zur Ware

1990er Jahre und aktuelle Tendenzen bis heute

Trotz der vielversprechenden Errungenschaften der 1980er Jahre kam es in den 1990er Jahren in Bezug auf die Rahmenbedingungen für freie Kulturarbeit zu keinen weiteren Verbesserungen – im Gegenteil. Die Gründe dafür liegen in den Auswirkungen des Neoliberalismus: Kategorien wie Wirtschaft, Ästhetisierung und Verwertbarkeit durchdringen auch die Bereiche von Kunst und Kultur. Schlagworte wie Kulturstandort, Umwegrentabilität oder Event-Marketing halten Einzug in kulturelle Debatten und leider auch allzu oft in die Kulturförderung.

Der hohe Preis für diese Entwicklung wird häufig übersehen: Kunst und Kultur – als Experimentierfeld für neue gesellschaftliche Entwürfe oder als Reflexionsfläche für kritische Auseinandersetzung mit Vergangenheit und Gegenwart – verlieren ihr Innovationspotenzial, wenn sie einer Vermarktungslogik untergeordnet werden.

Trotz oder gerade wegen dieser Tendenzen gab es auch in den letzten Jahren interessante Entwicklungen im Bereich der Zeitkultur. Neben den „klassischen“, in den 1970er oder 1980er Jahren gegründeten, inzwischen etablierten Kulturinitiativen, gibt es zahlreiche neue Erscheinungsformen von Initiativen. Es entstehen temporäre Arbeitsgemeinschaften, Künstler*innenkollektive, interdisziplinäre Kooperationen, kulturelle Plattformen, Netzwerke und strategische Allianzen zur Bündelung von kulturellen Interessen etc. Auch inhaltlich tun sich neue kulturelle Bereiche auf. Es entstehen freie Medieninitiativen, Initiativen mit Theorieschwerpunkt, Kulturinitiativen, die sich mit gesellschaftspolitischen Themen wie Migration, Diversität oder der Klimakrise auseinandersetzen, etc. Alle diese Bereiche der zeitgenössischen Kulturproduktion und -rezeption werden unter dem Begriff „Zeitkultur“ subsumiert.

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